Der japanische Godard: Oshima Nagisa. Von Walter Gasperi

Der japanische Godard: Oshima Nagisa. Von Walter Gasperi

Für einen Skandal sorgte Oshima Nagisa 1976 mit „Im Reich der Sinne“, weltweite Beachtung fand, nicht zuletzt dank der Besetzung einer Hauptrolle mit David Bowie, auch „Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence“ (1983). Weniger bekannt sind im Westen dagegen die Filme, die der 1932 geborene Regisseur in den 60er Jahren schuf. Das Filmpodium Zürich widmet diesem großen Erneuerer des japanischen Kinos im Januar eine Retrospektive.

Zeitgleich zur „Nouvelle Vague“ in Frankreich entwickelte sich auch in Japan eine filmische Erneuerungsbewegung. Neben Regisseuren wie Hani Susumi, Imamura Shohei und Teshigahara Hiroshi begann auch der aus einer Samurai-Familie stammende Oshima Nagisa – im Japanischen wird immer der Nachname vorangestellt – Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre nach einem Jura- und Geschichtsstudium seine Filmlaufbahn. Schon als Student nahm er aktiv an Demonstrationen teil, schloss sich der jungen Linken an, die gegen die japanische Nachkriegsgesellschaft Stellung bezog und sich auch von der alten kommunistischen Opposition trennte.

Im Schnellschuss drehte er 1959/60 mehrere Filme, die alle ebenso mitreissend wie verzweifelt ein düsteres Bild der japanischen Nachkriegsjugend zeichnen. Offen politisch war dann „Nacht und Nebel über Japan“ (1960), dessen Titel sich an Alain Resnais Dokumentarfilm über die KZ „Nacht und Nebel“ (1955) anlehnt. Ausgehend von einer Hochzeitsfeier zeichnet Oshima in kunstvoll verschachtelten Rückblenden in langen Plansequenzen die Entwicklung der japanischen Linken zwischen 1950 und 1960 nach.

Weil das Shochiku-Studio diesen Diskurs über das politische Leben in Japan schon vier Tage nach der Uraufführung zurückzog, gründete Oshima eine eigene Produktionsgesellschaft, arbeitete zunächst aber noch für andere Firmen und fürs Fernsehen. In „Die Beute“ (1961) kritisierte er anhand einer Episode aus dem Zweiten Weltkrieg den japanischen Nationalismus und in „Der Rebell“ (1962) versuchte er seine politischen Intentionen innerhalb eines populären Historienfilms zu transportieren.

Nach Scheitern dieses Versuchs kehrte er zu seinen experimentell-politischen Filmarbeiten, die ihm den Beinamen „der japanische Godard“ einbrachten, zurück. 1968 brachte er mit „Tod durch Erhängen“, „Die Rückkehr der drei Trunkenbolde“ und „Tagebuch eines Shinjuku-Diebes“ drei Filme heraus, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, sich dabei aber der Stilmittel des Phantastischen und Illusionären bedienen. „Tod durch Erhängen“, der von der Hinrichtung eines Koreaners erzählt, ist eine „emotionslose Anklage des (japanischen) Staates als einer Maschinerie des Todes und des Sadismus. Der Hinrichtungsraum wird zum Ort einer Wiederkehr der verdrängten Kriegsschuld und der verdrängten japanischen Kriegsgräuel.“ (Bernd Kiefer).

Mit Mitteln der Brechtschen Verfremdung arbeitet Oshima auch in „Die Rückkehr der drei Trunkenbolde“, bei dem ab der Mitte des Films das zuvor Geschehene mit leichten, aber bedeutsamen Variationen wiederholt wird. Zu den kompliziertesten Oshima-Filmen zählt laut Ulrich Gregor „Tagebuch eines Shinjuku-Diebes“, in dessen Mittelpunkt ein junges Paar steht, das sexuelle Schwierigkeiten miteinander hat. Oshima verschmilzt darin „Dokumentarisches mit Symbolischem und zeichnet ein Bild der Verwirrung und Frustration der jungen Generation Japans, der Ratlosigkeit der Älteren, der latenten Unruhe der Stadtviertel.“ (Ulrich Gregor)

Auf den linear erzählten „Der Junge“ (1969), in dem Kritik an der patriarchalen Rolle des Vaters geübt wird, folgte 1971 mit „Die Zeremonie“ ein Film, in dem Oshima versuchte in verschachtelten Rückblenden ein umfassendes Bild vom Zustand der japanischen Nachkriegsgesellschaft zu entwerfen. In seinem vernichtenden Blick auf die Familie ist dieser Film ein radikaler Gegenentwurf zu den Filmen Yasujiro Ozus.
Zu seinem radikalsten – und auch umstrittensten – Film wurde dann der auf einem wahren Fall aus dem Jahre 1936 beruhende „Im Reich der Sinne“ (1976). Kühl und distanziert blickt Oshima in genau kadrierten Tableaus auf ein Liebespaar, das sich derart verfallen ist, dass es bis zum Sadomachismus, der in einer Strangulierung endet, seine körperlichen Lüste auslebt.

Latente Homoerotik und Gewalt in zwei verschiedenen Kulturen stehen dann im Zentrum von „Furyo – Merry Christmas, Mr. Lawrence“ (1982), in dem Oshima in Anlehnung an David Leans Epos „The Bridge on the River Kwai“ (1957) vom Aufeinandertreffen eines japanischen Samurai-Soldaten und eines britischen Kriegsgefangenen erzählt. Nach diesem letzten Erfolg wurde es still um den Japaner. 1986 drehte er noch die surreale Komödie „Max, mon amour“ (1986) und 1999, geschwächt durch einen Schlaganfall, den er 1996 erlitt, mit „Gohatta – Tabu“ ein Traumspiel um Tod, Begehren und Männlichkeit.
(Walter Gasperi)

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